Katrin Neudolt ist eine der besten Badmintonspielerinnen Österreichs – bei den gehörlosen, wie auch den hörenden Spielerinnen. Ihr Motto: „Never stop fighting. If you never try, you’ll never know!” 2019 wird zu einem besonderen Jahr für die Mödlingerin: Mit großem Spirit setzt sie neue Karriere-Glanzlichter, weitere sollen folgen. Neben ihrer sportlichen Karriere hält sie als Speakerin Vorträge und verrät, wie Nonverbale Kommunikation ihre Karriere bereichert und welcher Medaillentraum demnächst in Erfüllung gehen soll.
Katrin, 2019 war sportlich gesehen ein unglaublich erfolgreiches Jahr für dich. Was war dein persönliches Highlight?
Es gab heuer gleich zwei herausragende Ereignisse für mich. Das erste: Der Finaleinzug bei der Gehörlosen-Weltmeisterschaft in Taipeh, Taiwan. Ich habe nicht erwartet, dass ich es ins Endspiel schaffe. Das war ein unglaublicher Erfolg, der mich positiv überrascht hat.
Und Nummer Zwei?
Ich habe beim BWF Future-Turnier in Thessaloniki bei den Nicht-Behinderten ebenfalls das Finale erreicht. Das hat zuvor noch nie eine gehörlose Sportlerin aus Europa geschafft. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich daran denke. Meinem Trainer Daniel Graßmück und Mentalcoach Johann Weitlaner habe ich so viel zu verdanken. Wir sind ein Team, das großartig harmoniert und das macht mich überglücklich.
Erlebst du ein Badminton-Match anders als eine hörende Spielerin?
Ja, das fehlende Gehör wirkt sich auf das Erkennen der Schlagintensität aus. Da ich die Heftigkeit des Kontakts zwischen Ball und Schläger nicht akustisch wahrnehme, verzögert sich meine Reaktion. Ich muss daher umso genauer hinschauen und länger abwarten, wie meine Gegnerin den Ball trifft. Das ist durchaus fordernd, weil Badminton die schnellste Ballsportart der Welt ist.
Kannst du diese genauere Beobachtungsgabe auch zu deinem Vorteil nutzen?
Ich denke schon. Mein Fokus auf das Spiel ist vielleicht schärfer als bei Hörenden. Akustische Ablenkungen existieren für mich nicht, ich bin während der Matches in einer Art „Tunnel“.
Könntest du nicht einfach mit Hörgerät spielen?
Nein, da sich die Akustik sonst komplett vermischt und ich mich überhaupt nicht auf das Spiel konzentrieren könnte. Das geht den meisten gehörlosen Sportlern so.
Führt das manchmal zu kuriosen Situationen?
Mein Spielstil ist extrem aggressiv und liebe den Angriff, daher reißt manchmal eine Schlägersaite. Das bekomme ich aber meistens nicht mit, weil ich es nicht höre. Meine Gegnerinnen sind dann komplett irritiert, weil sie nicht verstehen, dass ich den Schläger nicht wechsle.
Warum sind die Spiele gegen hörende Gegnerinnen so wichtig für dich?
Aus finanziellen Gründen gibt es leider kaum Badminton-Bewerbe für Hörbehinderte. Nächstes Jahr ist laut meinen Infos kein einziger geplant. Bei der WM waren 72 Starterinnen dabei, es liegt also nicht an der Anzahl der Spielerinnen. Eine Gehörlosen-EM, -WM oder die Deaflympics sind dann natürlich umso wichtigere Ereignisse, denen ich entgegenfiebere. 2021 bei den Deaflympics will ich unbedingt eine Medaille holen. Außerdem ist die Leistungsdichte bei den hörenden Spielerinnen natürlich größer und ich kann viel mehr Turniere bestreiten. Die Wettkampfpraxis ist für die sportliche Weiterentwicklung unersetzbar.
Hast du Vorschläge, wie man mehr Gehörlosenbewerbe initiieren könnte?
Ich habe dem Weltverband schon einige Ideen übermittelt. Man müsste Bewerbe von Hörenden und Nicht-Hörenden Spielerinnen zusammenlegen und die vorhandene Infrastruktur und Organisation nutzen. Ein Beispiel ist die Kooperation zwischen den Olympischen Spielen und den Paralympics, dort funktioniert das gut.
Deine Erfolge in diesem Jahr wurden medial sehr positiv wahrgenommen, du warst als Sportlerin des Jahres mit Handicap nominiert.
Ich habe schon die Nominierung nicht erwartet, da der Gehörlosensport in den Köpfen nicht so präsent ist. Umso schöner war es, auf Platz zwei gewählt zu werden.
Siehst du dich als Botschafterin des Gehörlosensports?
Absolut. In Österreich gibt es 1,6 Millionen Menschen mit Hörbeeinträchtigung. Da ist es essentiell, dass bestehende Barrieren beseitigt werden. Ich möchte hierfür meinen Beitrag leisten.
Wie kann Österreich als Sport- und Parasport-Nation weiterwachsen?
Der Stellenwert der Bewegung im Alltag muss sich ändern. In anderen Ländern ist es selbstverständlich, dass man in der Früh Sport betreibt. Auch infrastrukturell gibt es viel Verbesserungspotenzial. Gerade Kindern, ob mit oder ohne Handicap, muss Sport zugänglich gemacht werden. Kompetente Trainer, die mit gehörlosen Menschen umgehen können, sind leider noch Mangelware. Man sollte inklusives Training in die Ausbildung der Coaches integrieren.
Abseits deiner sportlichen Karriere hältst du Vorträge über nonverbale Kommunikation.
Es geht um die richtige Benützung der Körpersprache. Weltweit ist sie, bis auf kleine kulturelle Unterschiede, universell verständlich. In unserer digital dominierten Welt ist es nicht mehr üblich, Augenkontakt zu suchen. Dabei kann man gerade mit einem freundlichen Blick in die Augen seines Gegenübers Vertrauen aufbauen. Besonders Führungskräfte können hier extrem profitieren.
Was fasziniert dich so an diesem Metier?
Es ist spannend, weil ich so viele unterschiedliche Menschen kennenlerne. Ich muss immer neue Wege der Kommunikation finden. Es gibt keinen Standard-Leitfaden oder ein Patent-Rezept zu diesem Thema. Jeder Mensch denkt anders, hat unterschiedliche Ideale und einen individuellen persönlichen Hintergrund.
Wie nutzt du deine Kenntnisse am Court?
Ich beobachte die Körpersprache meiner Gegnerinnen genau, aber auch die der Trainer. Man kann da schon seine Schlüsse daraus ziehen. Es ist ein Werkzeug, mit dem man viel reparieren kann, wenn es nicht rund läuft. Zu viel will ich aber natürlich nicht verraten. (lacht)
Welcher Sportler ist in Sachen Körpersprache ein Vorbild?
Novak Djokovic. Der ist sehr gleichmäßig auf einem Level und strahlt große Selbstsicherheit aus. Interessant ist auch die Entwicklung von Dominic Thiem, da hat sich viel getan. Er ist deutlich ruhiger und selbstbewusster geworden. Ab und zu schimpft er natürlich noch, aber das könnte auch Methode haben. Wenn ihn genau das pusht, soll er ruhig die Aggressionen rauslassen. Hier muss man sagen: Die Körpersprache muss einfach zur Persönlichkeit passen.
Hättest du für ihn noch Platz in einem deiner Kurse?
Natürlich. Er kann jederzeit vorbeikommen. (lacht)
Welche Ziele hast du dir für das Jahr 2020 gesetzt?
Ich möchte meine Kontinuität im Spiel noch verbessern. Nach Stress-Situationen möchte ich Entspannungs-Elemente reinbringen, das könnte mir helfen. Gesund bleiben, wäre nach meiner Knie-OP vor drei Jahren auch wünschenswert. Bei einer Badminton-EM der Hörenden möchte auch teilnehmen.
Wie bereitest du dich auf die Deaflympics 2021 vor?
Ich versuche, mich mit einer intensiven Visualisierung davon, im Training noch mehr zu pushen. Der Druck wird enorm sein, auf diese Stress-Situation werde ich mich mental vorbereiten, um die optimale Lösung parat zu haben. Ich will mir im Vorfeld möglichst viele Werkzeuge für das Erfolgskonstrukt zurechtlegen.
Interview mit Johannes Karner
Quelle: Österreichischer Behindertensportverband
Veröffentlicht am 9. Januar 2020 um 09:00